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Hoffnung für Kinder und Jugendliche mit gefährlicher Erdnussallergie

Erster Patient im Nordwesten Niedersachsens beginnt neuartige Immuntherapie am Klinikum Leer

Dr. med. Daniel Schüler, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Klinikum Leer, mit seinem ersten Patienten Ole.

„Kann Spuren von Nüssen enthalten“. Für viele Menschen ist dieser Hinweis auf Lebensmittelverpackungen nicht weiter von Bedeutung. Für Ole aus Westoverledingen hingegen kann er überlebenswichtig sein. Der Siebenjährige ist einer der etwa 0,5 bis 1 Prozent aller Kinder in Deutschland, die an einer gefährlichen Erdnussallergie, die zu lebensbedrohlichen Reaktionen führen kann, leiden. Diese allergische Erkrankung nennt sich Anaphylaxie. Nun begann er die Behandlung mit dem neuen Medikament Palforzia® in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Leer, welches das einzige in der Region ist, das diese neuartige Immuntherapie anbietet.

„Erdnüsse zählen zu den häufigsten und heftigsten Auslösern einer Anaphylaxie durch Nahrungsmittelallergenen. Und anders als bei Allergien gegen Kuhmilch oder Ei verschwindet diese Allergie nicht. Die meisten Kinder haben sie ihr Leben lang.“, so Chefarzt Dr. med. Daniel Schüler, der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Kinderpneumologe und Allergologe ist. „Eine allergische Erdnussanaphylaxie ist keine harmlose Unverträglichkeit. Die Anaphylaxie ist im Gegenteil die gefährliche Form der Lebensmittelallergie und kann bei Betroffenen schwere, mitunter lebensbedrohliche, körperliche Reaktionen auslösen, die unmittelbar bei oder nach dem Verzehr von Erdnussspuren auftreten. Typische Symptome einer beginnenden Anaphylaxie sind Kribbeln und Juckreiz in Mund und Rachen sowie mitunter auch Übelkeit und Erbrechen. Bei manchen Menschen mit einer Erdnussanaphylaxie können schon Milligrammmengen der Erdnuss zu einem möglicherweise lebensbedrohlichen Allergieschock führen. Das körpereigene Immunsystem gerät dann in einen Ausnahmezustand. Der Rachen schwillt zu, es kommt zu Atemnot und Kreislaufproblemen und in schlimmen Fällen zu Bewusstlosigkeit, Atem- und Kreislaufstillstand. Kündigt sich ein Allergieschock an, muss umgehend ein Notarzt gerufen werden.“, so Schüler weiter.

Bisher waren für Ole das konsequente Meiden von Lebensmitteln mit Erdnüssen und das ständige Mitführen eines Notfallsets die einzigen Optionen, um einer allergischen, im schlimmsten Fall sogar lebensbedrohlichen Reaktion vorzubeugen. Nun gibt es für Ole und seinen Eltern jedoch einen Lichtblick: Die erste orale Immuntherapie ist in Europa zugelassen und Ole wird als erster Patient in der Kinderklinik des Klinikum Leer mit dem neuen Medikament therapiert. Nur ausgewählte Kliniken mit besonders zertifizierten Ärzten bieten diese Therapie an. Im Nordwesten Niedersachsens ist dieses Therapieangebot einzigartig.

Die Behandlung begann für Ole mit fünf aufeinanderfolgenden Dosen des Erdnussproteins, welche in vier Stunden unter ärztlicher Aufsicht eingenommen wurde. Nach einer Nacht zur Beobachtung in der Klinik setzt Ole nun seine Therapie zu Hause fort. Aufgelöst in Joghurt muss er das Mittel täglich am Abend einnehmen. Alle 14 Tage wird die Dosis in der Klinik bei einem ambulanten Aufenthalt gesteigert, bis einmal 300 mg Erdnussprotein erreicht sind. „Das entspricht etwa anderthalb Erdnüssen“, erklärt Dr. Schüler. „Diese höchste Dosis muss Ole dann zwei Jahre lang täglich einnehmen. Das Immunsystem soll auf diese Weise lernen, dass es sich bei dem allergieauslösenden Stoff um einen harmlosen Stoff handelt, der nicht bekämpft werden muss. Während und nach der Therapie muss Ole weiterhin Erdnüsse meiden und immer einen Adrenalin-Autoinjektor bei sich tragen. Durch die Therapie kann jedoch den Kindern und vor allem ihren Eltern die Angst vor einem anaphylaktischen Schock oder sogar dem Tod der Kinder nach unbeabsichtigtem Erdnussverzehr, beispielsweise auf einem Kindergeburtstag, genommen werden.