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„Heimathafen für seelische Gesundheit“ feiert 10-jähriges Jubiläum

Interview mit Dr. med. Anke Petersen, Chefärztin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Klinikum Leer

(v.l.n.r.): Tanja Szczepaniak (Teamleitung Station PSM), Heike Kliegelhöfer (Pflegedirektorin), Prof. Dr. med. Sylvia Kotterba (Ärztliche Direktorin), Dr. med. Anke Petersen (Chefärztin Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie), Daniela Kamp (Geschäftsführerin), Cord Felisiak (leitender Oberarzt Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie), Valerie Jommersbach (leitende Psychologin Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie).

Seit 2014 werden in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Patienten/innen mit psychosomatischen Erkrankungen behandelt. Angefangen mit 30 Patienten in Räumlichkeiten des Klinikums, die übergangsweise zu Diagnostik- und Therapieräumen wurden, hat sich die Klinik zu einem „Heimathafen für seelische Gesundheit“ mit 48 stationären Betten und 14 tagesklinischen Plätzen in einem Klinikneubau mit rund 4.500 qm entwickelt. Das multiprofessionelle Team bestehend aus Ärzten/innen, Psychologen/innen, Fachtherapeuten/innen und Pflegekräften bietet den Patienten/innen ein multimodales Behandlungssetting an, dass auf den Kenntnissen der führenden psychotherapeutischen Wissenschaft beruht. Es werden psychosomatischen Erkrankungen, wie depressive Syndrome oder Erschöpfungssyndrome, Angst-, Zwangs- und Schmerzstörungen und auch akute und posttraumatische Belastungsstörungen sowie somatoforme Störungen aller Organsysteme und Schlafstörungen behandelt.

Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums haben wir ein Interview mit der Chefärztin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Dr. med. Anke Petersen, geführt:

Wer ist von psychosomatischen Störungen betroffen?

Psychosomatische Störungen betreffen viele Menschen, das ist nicht auf bestimmte Personengruppen beschränkt. Sie beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen und deren Angehörige deutlich.

Wie viele Menschen erkranken jährlich?

Der Anteil derer, die innerhalb eines Jahres an einer psychischen oder psychosomatischen Störung erkranken, wird mit ungefähr 30 Prozent der Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren angegeben. Dazu zählen Angststörungen, Depressionen und Störungen durch Alkohol- oder Medikamentengebrauch. So sind ca. 18 Millionen Menschen in Deutschland betroffen von psychischen Erkrankungen, oft auch mit einem hohen Leidensdruck für die Familien.

Wie wirkt sich die Erkrankung auf die Betroffenen aus?

Einschränkungen im sozialen und beruflichen Leben sind häufig Folge von psychischer Erkrankung. Seelisches Befinden und körperliche Symptome hängen zusammen und können sich wechselseitig beeinflussen. Neben der Entwicklung von psychosomatischen Störungsbildern kann auch das Risiko für körperliche Erkrankungen, wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schmerzerleben, erhöht sein. Psychische Erkrankungen sind neben der dritthäufigsten Ursache für Arbeitsunfähigkeit auch der häufigste Grund für Frühverrentungen. Auch in diesem Jahr setzt sich diese Entwicklung fort. Wir müssen damit rechnen, dass die daraus entstehenden volkswirtschaftlichen Kosten weiterhin ansteigen werden.

Welche Behandlungsmöglichkeiten haben Betroffene?

Schon lange, und durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie verstärkt, besteht im ambulanten Bereich ein Mangel an niedrigschwelligen und zeitnah verfügbaren psychotherapeutischen Angeboten mit oft mehrjährigen Wartezeiten auf eine Behandlung. Auch im stationären Bereich müssen Patienten mit Wartezeiten für einen Behandlungsplatz rechnen.

In den letzten Jahren gab es viele Ereignisse, wie die Corona-Pandemie, die uns als Gesellschaft gefordert haben. Welche Auswirkungen haben die aktuellen Entwicklungen auf uns?

Wir leben momentan in seelisch sehr herausfordernden Zeiten. Der zunehmende Druck auf dem Arbeitsmarkt, der sich z.B. in zunehmenden Arbeitsunfähigkeitszeiten widerspiegelt, und die steigenden Lebenshaltungskosten sind für viele Menschen eine starke finanzielle und teils auch existentielle Belastung. So sind in der Region die Angestellten, z.B. bei Volkswagen in Emden und der Meyer-Werft in Papenburg, immer wieder belastet durch wirtschaftliche Krisen ihrer Firmen mit Bedrohung ihrer Arbeitsplätze. Auch die verstärkt wahrgenommene Bedrohungslage durch kriegerische Konflikte, z.B. in der Ukraine und in Israel, ist für die Menschen belastend und kann zur Verstärkung von Depression und Angst beitragen.

Zum Abschluss: Hat sich auch das Behandlungsangebot der Klinik verändert?

Die Klinik ist gewachsen – nicht nur an Patientenzahlen, sondern auch das Behandlungsangebot wurde ausgebaut. In den letzten Jahren haben wir unterschiedliche Schwerpunktbehandlungen etabliert. Während und nach der Pandemie sind viele junge Erwachsene psychisch sehr belastet worden, so bieten wir seit 2021 eine Schwerpunktbehandlung für junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren an. Eine weitere Schwerpunktbehandlung bieten wir bzgl. der Angsterkrankungen und der Bewältigung von Traumata an. Auch besteht eine etablierte Zusammenarbeit mit der multimodalen Schmerztherapie im Klinikum Leer.