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Bauchgefühl - Förderung der natürlichen Geburt

Der Anteil der Kaiserschnitte konnte gemessen an den Gesamtgeburten im Landkreis Leer um 25 % verringert werden. Nun berichtet auch das ZDF in der Sendung „Heute“ über diesen Erfolg.

Das Team vom ZDF bei den Dreharbeiten für die „Heute“-Sendung im Kreissaal des Klinikum Leer.

Leer/Ostfriesland, 20. Februar 2018

Das niedersächsische Gesundheitsministerium hat im Jahr 2015 unter Beteiligung des niedersächsischen Hebammenverbandes auch in unserer Region mit einem Auftaktworkshop im Rahmen der Aktion „Bauchgefühl“ die Diskussion zum Thema „Förderung der natürlichen Geburt“ befördert.

Daraus hat sich die Arbeitsgemeinschaft „AG-Bauchgefühl“, bestehend aus den Leeraner Kliniken Borromäus Hospital und Klinikum Leer, dem Marien Hospital Papenburg sowie freiberuflichen Hebammen, entwickelt mit der gemeinsamen Zielsetzung die Kaiserschnittrate in der Region zu senken. Ein zentrales Element der „AG-Bauchgefühl“ sind kostenlose Hebammensprechstunden, die in allen drei Krankenhäusern von Schwangeren genutzt werden können, um sich zu informieren und ausführlich beraten zu lassen. Hinzu kommen öffentliche Vortragsveranstaltungen und aufklärendes Informationsmaterial. Zusätzlich richtet der Landkreis Leer eine zentrale Vermittlungsstelle für Hebammen ein. Durch die vielfältigen Bemühungen konnte der Anteil der Kaiserschnitte gemessen an den Gesamtgeburten im Landkreis Leer um ca. 25 % verringert werden.

Die Geburt eines Kindes ist wohl eines der wichtigsten Erlebnisse im Leben einer Frau. Gerade wenn es sich um das erste Kind handelt, stellen sich vor der Geburt viele Fragen, z. B. ob man sein Kind auf dem „natürlichen Weg“, also durch eine spontane, vaginale Entbindung zur Welt bringen möchte oder ob ein Kaiserschnitt eine Option ist. Viele werdende Mütter denken dabei auch an einen geplanten Kaiserschnitt aus Angst vor Schmerzen. Die Rate liegt in Deutschland seit vielen Jahren zwischen 30 und 35 %, je nachdem, ob eine Klinik eine „normale Geburtshilfe“ leistet oder ob durch die Verbindung mit der Kinderklinik eine neonatologische Versorgung, wie im Klinikum Leer, auch die Betreuung von Früh- und Risikogeburten ermöglicht. Im Klinikum Leer lag 2015 die Kaiserschnittrate noch bei 39,8 % bei 692 Geburten und im Borromäus Hospital Leer bei 30,6 % bei 759 Geburten. Im Jahr 2017 dagegen lag die Rate nur noch bei 29,5 % bei 945 Geburten im Klinikum Leer und bei 21,8 % bei 717 Geburten im Borromäus Hospital Leer.

Der Anstieg bzw. die Höhe der Kaiserschnittrate in Deutschland liegt auch begründet in einer Zunahme der Frühgeburten, der Mehrlingsgeburten und des Geburtsgewichtes, des Alters der Gebärenden und der Zunahme von Risikofaktoren wie Diabetes oder Herz- und Kreislauferkrankungen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht von einer medizinisch notwendigen Kaiserschnittrate von 15 % - ein realistisches Ziel für die Versorgung in Deutschland liegt sicher im Durchschnitt bei 25 %, wiederum in Abhängigkeit von dem Versorgungsgrad der Geburtsklinik. Ohne die Berücksichtigung der Mehrlingsgeburten und der Risikogeburten hätte auch das Klinikum Leer eine Kaiserschnittrate von etwa 20 %. Dass sich die werdenden Mütter im Klinikum Leer gut aufgehoben fühlen, zeigen auch die steigenden Geburtszahlen. Nachdem schon von 2015 auf 2016 ein Anstieg der Geburten um 26 % verzeichnet wurde, stieg die Zahl in 2017 nochmals um 8,4 % an.

Es gibt viele Faktoren, die für eine natürliche Geburt sprechen. So kann sich das Kind auf einen Kaiserschnitt nicht vorbereiten, sondern befindet sich plötzlich auf der Welt. Hierbei fehlt die Ausschüttung des Stresshormons, das dabei hilft, sich dem Umfeld anzupassen. Wissenschaftlich belegt ist außerdem, dass die Säuglinge nach der Geburt eher Probleme mit der Atmung oder der Stabilisierung des Blutzuckers haben als Neugeborene, die durch eine natürliche Geburt das Licht der Welt erblicken. Die Bindung zwischen Mutter und Kind kann nach einem Kaiserschnitt nicht so schnell aufgebaut werden, wie nach einer natürlichen Geburt, da die Mutter noch weiter versorgt werden muss. Nicht zuletzt ist auch der Krankenhausaufenthalt nach einem Kaiserschnitt mit vier bis fünf Tagen etwa doppelt so lang wie bei einer natürlichen Geburt. Nach dem Krankenhausaufenthalt ist die Mutter häufig auch weiterhin körperlich eingeschränkt.

„Ein Kaiserschnitt ist eine Operation mit allen dazugehörigen Risiken wie Infektionen, Embolien oder Thrombose. Außerdem erleidet die Gebärende einen höheren Blutverlust. Dieser und noch weiterer Risiken sollte man sich vor der Entscheidung bewusst sein“ erklärt Dr. med. Jacek Skubis, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Klinikum Leer, „Ein Kaiserschnitt ist bei gewissen Risikoschwangerschaften sinnvoll und soll im Notfall das Leben von Mutter und Kind retten.“ Jedoch gibt es heute viele gesunde Frauen, die ihr Kind aus den unterschiedlichsten Gründen nicht auf natürlichem Weg entbinden möchten – und genau hier setzt die „AG-Bauchgefühl“ an. Erst vor einigen Wochen lobte die niedersächsische Sozialministerin Dr. Carola Reimann bei einem Besuch in Leer die Initiative und die gute Zusammenarbeit der Kliniken beim Thema: Förderung der natürlichen Geburt.

Auf dem Bild: Das Team vom ZDF bei den Dreharbeiten für die „Heute“-Sendung im Kreissaal des Klinikum Leer.